Auch nach 25 Jahren Aufklärungsarbeit durch AKUT bleiben in den Bereichen Umweltmedizin und Baubiologie zahlreiche Baustellen offen:
- Zahnmetalle, insbesondere aber nicht nur Quecksilber
- Gesundes Wohnen durch baubiologisches Bauen
- Reglementierung von Schadstoffen (krebserregend, fortpflanzungsgefährdend, hormonartig, neurotoxisch, allergisierend,…) in Innenräumen und im Außenbereich
- Elektrosmog
- Umweltmedizin (Aus- und Weiterbildung, Finanzierung bei Diagnostik und Therapie)
Aus diesem Grund hat Akut im Juli einige Fragen formuliert und an die verschiedenen Parteien geschickt im Hinblick auf die Wahlen beziehungsweise die jeweiligen Wahlprogramme. Bis zum 1 Oktober (Stichdatum war der 20. September) gingen Antwortschreiben ein von
DP, LSAP, KPL und Dei Greng
Alle beantworteten die 5 von Akut gestellten Fragen.
KPL und Die Greng verwiesen ebenfalls (wie von Akut angefragt) auf die jeweiligen Passagen in ihren Wahlprogrammen (3 Verweise von KPL, 17 Verweise von Die Greng: Wohnraum, Gesundheit, Landwirtschaft, Ernährung, Natur & Umwelt).
Andere Parteien reichten keine Informationen ein.
An dieser Stelle sei sämtlichen betreffenden Parteien für ihre Mitarbeit und Auskunftsbereitschaft gedankt (die Antworten der verschiedenen Parteien werden aufgelistet in der Reihenfolge wie die Antwortschreiben bei Akut eingegangen sind).
Fragen:
Die fünf Fragen von Akut beriefen sich auf Quecksilber und Zahnmaterialien, auf Elektrosmog, auf hormonartige Substanzen („endocrine disruptors“), auf gesundes Bauen sowie auf die Umweltmedizin.
1) Thema Quecksilber
Für die KPL spricht nichts gegen ein Totalverbot von Quecksilber und demnach für den Einsatz von gesünderen Materialtestmethoden.
Dei Greng unterstützen ein Verbot von Quecksilber du befürworten gesündere Zahnersatz-materialien inklusive entsprechender Materialtestmethoden (LTT).
Die DP unterstützt die bisherige Politik der Regierung (Luxemburg hat sich für ein Verbot ausgesprochen). In Bezug auf gesündere Zahnersatzmaterialien inklusive entsprechender Materialtestmethoden (LTT) bleibt die DP eine Antwort schuldig.
Die LSAP steht für einen progressiven Austritt aus dem Quecksilbergebrauch und befürworten entsprechende Ersatzmaterialien, empfindet den LTT-Test (Lymphozyten-Transformations-Test) jedoch als nicht zuverlässig (er ist in der deutschen Umweltmedizin implementiert, in der klassischen Medizin jedoch kontrovers diskutiert).
Fazit: Zwar sind sich alle Parteien einig über einen Ausstieg aus dem Quecksilber, die nötigen Diagnostikverfahren hinsichtlich der Kompatibilität von Ersatzmaterialien und somit die erforderlichen Instrumente befürworten jedoch lediglich KPL und die Greng.
2) Thema Elektrosmog
Die KPL setzt sich ein für Sensibilisierung und Information, für Alternativen (beispielsweise Datenübertragung mittels Lichtwellen anstelle von WiFi und Einschränkungen wenn sie sinnvoll und möglich sind (zum Beispiel nächtliches Ausschalten des öffentlichen WiFis).
Dei Greng planen, das im Umweltministerium MDDI gestartete Projekt eines Strahlenkadasters fortführen, sowie durch entsprechende Aufklärung die Belastung und Belastungsquellen zu minimieren, beispielsweise durch „Visible-Light-Pilotprojekte“ als Varianten zu WiFi.Elektrische Hypersensibilität EHS sollte ebenso wie MCS (multiple chemical sensitivity) und SBS (Sick buildingsyndrom) anerkannt werden
Die DP möchte die Evolution der Studien beobachten sowie die Präventionspolitik der WHO befolgen. EHS wird von der DP nicht anerkannt.
Die LSAP hält sich an die französische ANSES-Metastudie beziehungsweise an deren Schlussfolgerungen. (Dabei ist zu bemerken, dass die Schlussfolgerungen der ANSES („es ist nichts bewiesen, deshalb gibt es keinen Anhaltpunkt um die bestehenden Grenzwerte zu ändern“) teilweise in krassem Widerspruch zu den aufgeführten Studien, aber auch zu anderen Studien wie die SCENIHR –Studie der europäischen Kommission oder den Ergebnissen der NTP-Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde von Mai 2018 stehen).
EHS ist für die LSAP wissenschaftlich nicht erfassbar, nichtsdestotrotz plädiert die Partei für eine „prise en chargeadaptée“ der Betroffenen.
Fazit: Auch hier suchen KPL und Dei Greng nach Alternativen und Möglichkeiten, die Belastung durch Elektrosmog zu reduzieren. DP und LSAP zeigen abwartende Haltungen gegenüber offiziellen Positionen (WHO, ANSES) und vergessen darüber jegliche Präventionspolitik nach dem Vorsorgeprinzip.
3) Thema „Endocrine disruptors“
Die KPL möchte Pestizide komplett verbieten (da es auch ohne geht) und eine biologische Landwirtschaft fördern. Hormon-aktive Substanzen sollten so weit wie möglich reguliert und vermeiden werden.
Auch dei Greng wollen den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft minimieren in Haushalten und im Trinkwasser völlig verbieten. Darüber hinaus sollten Pestizid-induzierte Krankheiten künftig als Berufskrankheiten anerkannt werden (wie es zum Teil im Ausland bereits der Fall ist). Des weiterensetzen dei Greng auf Transparenz bei EU-Genehmigungsprozeduren, insbesondere im Hinblick auf hormonell wirksame Schadstoffe.
Die DP setzt auf eine Pestizidreduzierung in der Landwirtschaft (die zum Teil durch die derzeitige Regierung bereits erfolgt ist). Insbesondere Neonikotinoide und Glyphosat sollten verboten werden. Laut DP sollte die nächste Regierung weiterhin einen „nachhaltigen Verbraucherschutz“ promouvieren.
Die LSAP beschränkt sich auf eine strikte Reglementierung für Substanzen bei denen ein Beweis in Bezug auf gesundheitschädigende Wirkung vorliegt. Auch wenn eine Pestizidreduzierung bereits erfolgt ist (durch die derzeitigen Umwelt- und Landwirtschaftsminister; Anm. des Autors) fordert die LSAP zukünftig eine strengere Pestizidreduzierung
Die aktuelle Gesundheitsministerin erwähnt eine Studie zum „Human Biomonitoring“ von POP-Stoffen, die sie veranlasst hat sowie eine weitere Studie zusammen mit dem Umweltministerium zu diversen Schadstoffen in Risikopopulationen.
Zu den POP-Schadstoffen ist zu sagen, dass diese seit der Stockholm–Konvention im Jahre 2001 (trat 2004 in Kraft) verboten sind und diese sowie weitere Substanzen in zahlreichen Studien beispielsweise die Greenpeace-Studie 2002 an europäischen Ministern, die deutschen KUSS- und Kiggs-Studien bereits erforscht wurden. Demnach stehen die Daten längst zur Verfügung, die Reglementierung sprich der Verbot besagter POP-Substanzen ist auf europäischer Ebene längst beschlossene Sache.
Fazit: Während KPL und Die Greng Pisten aufzeichnen um die bereits in dieser Legislaturperiode begonnenen Maßnahmen zur Reduzierung von Pestiziden und Endocrine Disruptors zügig voranzubringen, haben DP und LSAP eine weitaus zögernde Haltung die auf Studien, Beobachtung und einer Handlungsweise erst wenn ein Beweis auf gesundheitsschädigende Wirkung erbracht ist. Demnach eine äußerst minimalistische Haltung die dem Vorsorgeprinzip sicherlich nicht gerecht wird und die an die Asbest-Politik von damals erinnert.
4) Thema Gesundes Bauen (Passivbau)
Die KPL möchte mehr Aufklärung über « Indoor-Pollution »sowie einen „Indoor Pollution-Test“ bei Abschluss der Bauarbeiten: Des weiteren zeigen sie sich einverstanden mit der Einrichtung eines „„observatoire de la qualité de l‘airintérieur“ der den Druck in der Öffentlichkeit aber auch baubiologische Weiterbildung oder Pilotprojekte beim Bauenfördern sollte.
Im Bereich des Bauens und Wohnens setzen sich Dei Grengein für Aufklärung, Schutz der Mieter, sowie standardmäßige „Indoor Pollution Tests“ bei Abschluss der Bauarbeitenähnlich dem Blower-Door Test. Ferner möchten sie ein interministerielles „observatoire de la qualité de l’airintérieur » einrichten welches unter anderem die baubiologische Weiterbildung fördern würde.
Die DP möchte ebenfalls sensibilisieren und Verbraucherschutz anwenden, beschränkt sich jedoch auf die bestehenden internationalen Richtlinien die sich unserer Ansicht und Erfahrung nach als ungenügend herausstellen. Auch weisen sie auf die luxemburgische Zertifizierung für Gebäude Lenoz hin, welche emissionsarme Baustoffevorschreibt. Aus Akut-Sicht ist zu bemerken, dass die aktuelle Lenozrichtlinien gerade in Sachen Gesundheitsschutz noch ausbaufähig ist (zurzeit beziehen sich lediglich 2 von 143 Kriterien des Leistungskataloges auf das Thema Gesundheit und Innenraumluftqualität).
Die LSAP befürwortet zwar ein „observatoire de la qualité de l‘air intérieur » will diesen jedoch unbedingt im Gesundheitsministerium ansiedeln, wobei doch gerade im Bausektor die Kompetenzen auf andere Ministerien (Wohnung, Nachhaltigkeit, Umwelt und Energie) verteilt sind und gerade das Gesundheitsministerium in diesem Bereich weder über Kompetenzen noch Experten verfügt. (Aus Akut-Sicht ist das Thema „baubiologisches Bauen“ nur im Verbund mit Energie, Nachhaltigkeit, Abbau, Ressourcenschonung, Wirtschaft sowie den öffentlichen und sozialen Bauträgern zu realisieren).
Die LSAP schlägt einen „Indoor Pollution Test“ bei Abschluss der Bauarbeiten, allerdings auf freiwilliger Basis vor. Damit dürften jedoch gerade Mieter oder Käufer von „Appartementer“ in Mehrfamilienhäusern nicht ausreichend einbezogen und geschützt werden.
Fazit: Während die DP sich auf die bestehenden Instrumente beschränkt (die aus Akut-Sicht jedoch die Gesundheit nur höchst unzureichend berücksichtigen), herrscht bei den anderen drei Parteien Einigkeit in Bezug auf ein „observatoire de la qualité de l‘air intérieur“,jedoch mit unterschiedlichen Auffassungen zu der Mission und Funktionsweise. So möchte die LSAP ein solches OQAI unbedingt im Gesundheitsministerium anlagern, das über praktisch keine Kompetenzen und Missionen auf diesem Gebiet verfügt. Allem Anschein nach hat die LSAP die erforderliche Interdisziplinarität im „gesunden Bausektor“ nicht verstanden.
5) Thema Umweltmedizin
Die KPL sehen die Umweltmedizin weniger als eigenständige Disziplin sondern möchte sie in die klassische Ausbildung integrieren. Ferner sollte die Umweltmedizin Einzug in die Nomenklatur erhalten und somit umweltmedizinische Beratungen, Diagnosen und Therapien zurückerstattet werden.
Die Greng wollen Umweltmedizin gleich auf mehreren Ebenen fördern: umweltmedizinische Krankheiten (EHS, MCS, SBS) anerkennen, Umweltmedizinische Aus- und Weiterbildung fördern (Universität), Prävention, Innenraummessungen und Gebäudesanierungen finanziell unterstützen. Neben umweltmedizinischer Präventionsarbeit sollten auch Diagnostik und Therapie (auf Zeitbasis) durch die Umweltärzte finanziell rückerstattet werden.
Die DP setzt auf Sensibilisierung, Frühdiagnostik sowie auf eine ergebnisoffene Diskussion über Aufnahme von Umweltmedizin in die Nomenklaturen.
Die LSAP bekundet sich dazu die Umweltmedizin seit jeher unterstützt zu haben (Akut möchte hier anmerken, dass die umweltmedizinische Ausbildung 2001-2002 durch einen DP-Gesundheitsminister erfolgte und dass danach weder Weiterbildungen, noch Tarifikationen der ausgebildeten Umweltmediziner oder irgendwelche umweltmedizinische Leistungen in die Nomenklatur aufgenommen wurden in 15 Jahren LSAP-Gesundheitsministerium)
Die LSAP hat den Bau einer Umweltklinik in die Wege geleitet (gesetzliche Basis) wodurch auch Forschung und Ausbildung gewährleistet werden soll. Des weiteren wurde eine Restrukturierung des LNS und der Abteilung für Arbeits- & Umweltmedizin im Sinne einer besseren Effizienz der Kontrollmessungen in die Wege geleitet. (Dazu ist zu bemerken, dass das Ergebnis ist, dass die Wartezeiten immer länger werden, präventive Analysen beispielsweise von Kindermatratzen oder Putzmitteln nicht mehr gemacht werden und keine fachmännische baubiologische Beratung im Gesundheitsministerium mehr stattfindet). Schließlich weist die LSAP auf die erforderliche Interdisziplinarität, also die Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien hin (dies steht allerdings im Widerspruch zu einem “observatoire” welches im Gesundheitsministerium angesiedelt sein soll und somit faktisch eine Umbenennung der Abteilung für Arbeits- & Umweltmedizin darstellt).
Fazit: Sehr unterschiedlich sind die Positionen in Bezug auf Umweltmedizin:
Die KPL sieht keine eigenständige Disziplin sondern eine Integration in den medizinischen Alltag.
Die LSAP sieht in diesem Bereich nur das Gesundheitsministerium, hat aber in den letzten 15 Jahren herzlich wenig in diesem ihrem Ressort in die Wege geleitet oder umgesetzt.
Die Greng präsentieren konkrete und ressort-übergreifende Lösungsansätze
Keine Position nimmt im Endeffekt die DP die ergebnisoffen diskutieren möchte.
Wahlprogramm
Hinweise auf das Wahlprogramm machten nur von dei Greng, die KPL schickte das Wahlprogramm gleich mit. Keine Hinweise auf ihr jeweiliges Wahlprogramm machten DP und LSAP, was es natürlich schwer macht zu unterscheiden ob die Antworten auf die AKUT-Fragen eine Priorität im Wahlprogramm genießen.
Abschließende Synthese
Die DP gibt sich in Sachen Umwelt & Gesundheit sehr zögernd, beobachtend und verlässt sich auf die bestehenden europäischen Instrumente und Regeln wobei hinreichend bekannt ist wieweit gerade in diesen Bereichen Brüssel von der industriellen Lobby geprägt ist.
Zögernd ist auch die LSAP, jedoch hat sie die Notwendigkeit zu handeln erkannt. Allerdings fehlt ihr die Durchsicht dass Umweltmedizin und Baubiologie nur im Verbund mit gebündelten Kompetenzen und Fachrichtungen zum Erfolg führen kann (Interdisziplinarität).
Gutes Zeugnis für KPL und Dei Greng, wo man sieht, das sich Gedanken gemacht und zumindest ansatzweise Alternativen oder Lösungen gesucht wurden. Beide haben die Interdisziplinarität in einer solchen komplexen Materie die zurzeit auf viele unterschiedliche Ministerien verteilt ist erkannt. Dabei sind Dei Greng am weitesten mit der Vorstellung einer Reihe konkreter Vorschläge und Ansätze auf die sicherlich aufzubauen ist.