Analyse zum Facktencheck 5G

Ziemlich daneben oder wie bestellt?

Eine Analyse des „Faktencheck zum neuen Mobilfunkstandard 5G“ von Sience.lu, 29.09.2020. 
Was ist 5G? Und wie sicher oder gefährlich ist der neue Mobilfunkstandard? https://t1p.de/w7wb

Erschienen ist der lange Aufsatz von sience.lu am 29.09.2020. Eine Woche vor der Parlamentsanhörung zur Petition „Stopp5G in Luxemburg“.

Wir wollen hiermit einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand vermitteln und dazu beitragen, die Diskussion zu versachlichen.“

Dies ist der ehrenwerte Anspruch von sience.lu in der Einleitung. Doch bereits im Vorspann von sience.lu wird achtmal! eindeutig Stellung bezogen und behauptet, es gäbe kein relevantes Problem mit dieser Technologie. Mehrfach wird betont, 

Stand der Wissenschaft ist, dass es keine gesicherte Wissenschaftliche Evidenz für eine Gesundheitsgefährdung gibt (…) es gibt keine eindeutigen Beweise für gesundheitsschädliche Effekte (…) gäbe es negative Effekte, würden Metastudien es zeigen – die Metastudien zeigen aber nichts (…) es gibt eher wohl keine negativen Auswirkungen (…) es gäbe keine Langzeitstudien (…) für das Ausräumen letzter Unsicherheiten wären weiter Forschungen wünschenswert.“ 

Die Einleitung ´5G in a nutshell` schließt mit dem Satz:

„Wir (…) wollen lediglich über den Stand und die Methodologien der Wissenschaft informieren.“

Dieser Ankündigung wird sience.lu, selbst mit der Einschränkung „lediglich“, nicht gerecht. Unter der Überschrift „Weshalb ist es so schwierig…“ werden einige der methodologischen Schwierigkeiten der Forschung zwar sachgerecht wiedergegeben, aber diese Aussagen kaschieren nur, was sience.lu von Anfang bis Ende des Textes macht – eine festgefügte Meinung transportieren, dass die Mobilfunktechnologie ungefährlich ist.

sience.lu stützt sich einseitig auf Aussagen der Industrielobby

In der Fragestellung, ob von Mobilfunktechnologie im Allgemeinen und der 5G-Technik im Besonderen eine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht, beruft sich sience.lu -von einer Ausnahme abgesehen – wiederholt ausschließlich auf die Verlautbarungen der Stiftung Strom und Mobilfunkkommunikation (FSM) aus der Schweiz. 

Wer ist die FSM? Die FSM ist eine Stiftung mit Sitz in der ETH-Zürich, die zu 98% von den Mobilfunk- und Stromnetzbetreibern und deren Zulieferern finanziert wird. Die Stiftung ist kein Bestandteil der angesehenen Hochschule, sondern hat in den Gebäuden der ETHZ nur ihre Geschäftsstelle.

An dieser Stelle könnten wir eigentlich aufhören uns weitergehend mit dem vorliegenden ´Faktencheck` zu beschäftigen, der für sich in Anspruch nimmt, „die Diskussion zu versachlichen“. 

Die einseitige Argumentationslinie von Sience.lu bildet jedoch beispielhaft ab, wie die Kernargumentation der Verteidiger der Mobilfunktechnologie aufgebaut ist. Sience.lu folgt eins zu eins den Prinzipien der ´war-gaming-Strategie` der Mobilfunkindustrie. Dazu einige Erläuterungen:

Historie der Petition im Kontext der 5G Versteigerung

20. April 2020​Annahme der Petition durch Petitionskommission
​Beginn der Unterschriftensammlung

05. Juni 2020 ​Petition wird erfolgreich abgeschlossen mit 7.108 online + 198 per Brief

13. Juli 2020 ​Versteigerung der 5G-Frequenz 

26. September 2020​sience.lu veröffentlicht seine industriegefärbte Sicht der Dinge zu 5G

06. Oktober 2020​Anhörung der Petenten im luxemburgischen Parlament
Ablehnung der Petition 

16. Oktober 2020​ Inbetriebnahme der ersten 5G-Anlagen
Zweifel ist ihr Produkt – Bürger verwirren, Politik handlungsunfähig machen

1994 stellte sich der US-Amerikanische Marktführer für Mobiltelefone die Frage „Was tun mit harten wissenschaftlichen Fakten?“, nachdem die Wissenschaftler Lai und Singh 1994 im Auftrag der Mobilfunkindustrie DNA-Strangbrüche in Gehirnzellen bei der Nutzung von Mobilfunktelefonen fanden. „Die Forschungsmethode war sehr solide und die Funde zweifelsfrei biologisch signifikant“, 

urteilte Motorola in einen einem internen Schreiben und wandte sich an die PR-Agentur Burson-Marsteller (heute Marsteller Cohn & Wolfe) und frage nach einer Strategie damit umzugehen. Daraus entstand ein Handlungsleitfaden, der intern auch als war-game-memo bezeichnet wurde. 

Die Kernbotschaft aus dem Schreiben der PR-Agentur Burson-Marsteller vom 12.08.1994 an seinen Klienten Motorola zum Umgang mit produktgefährdenden wissenschaftlichen Ergebnissen war:

  1. Die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse anzweifeln.
  2. Betonen, dass es sich nur eine Einzelstudie handelt, die im Widerspruch zur sonstigen wissenschaftlichen Erkenntnis steht.
  3. Die Reproduzierbarkeit der Studie generell in Frage stellen.
  4. Ggf. die Wissenschaftler diskreditieren, wenn Sie nicht schweigen.
  5. Eigene Forschung finanzieren und kontrollieren.
  6. Ausgesuchte Wissenschaftler schulen für den Umgang mit kritische Presseanfragen.
  7. Weltweit einheitliche Pressemitteilungen verbreiten über ihre Sicht der Dinge.
  8. Generell jedes Gesundheitsrisiko im Zusammenhang mit Ihren Produkten abstreiten.

Ziel dieser ganzen Bemühungen ist einerseits die Bevölkerung über die Berichterstattung zu einem vermeintlich ´wissenschaftlichen Streit` im Unklaren zu lassen bzw. zu verwirren. Der eigentliche Adressat dieses organisierten Anzweifelns der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist aber die Politik. Ziel ist es, Politik handlungsunfähig zu machen – eine Mobilfunkvorsorgepolitik, einen aktiven Gesundheitsschutz sowie grundlegende Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen mit allen Mitteln zu verhindern. Ohne ein klares Bild der „wissenschaftlichen“ Erkenntnis können auch keine klaren politischen Beschlüsse gefasst werden.

Diese bewährte Methode des Anzweifelns ist die Kernstrategie der Produktverteidigung und findet bis heute Anwendung. Aktuellstes Beispiel hierzu ist der Umgang mit der NTP-Studie.

Analysen dieses Zerrbilds wissenschaftlicher Bewertungen liegen vor 

Eine fundierte wissenschaftliche Analyse der Strategie des Anzweifelns wurde mit der Arbeit von S. J. Starkey am Beispiel der englischen Beratergruppe AGRNIR 2016 vorgelegt, „Fehlerhafte offizielle Bewertung der Sicherheit von Funkstrahlung durch die Beratergruppe für nicht-ionisierende Strahlung“. diagnose:funk hat diese Arbeit übersetzen lassen. Sie steht exemplarisch für viele nationale und internationale Gutachten, die von der Industrie, aber auch von öffentlichen Stellen, erstellt wurden. Ob dies der Bericht der SCENHIR für die EU ist, der Bericht des Wissenschaftlichen Beirats Funk (Österreich), der „Siebte Mobilfunkbericht der Bundesregierung“ in Deutschland oder die Analysen des FSM (Schweiz). So wurde auch der letzte Bericht der WHO zum Thema EMF von einem fast identischen Autorenteam verfasst. Dieses Betrugssystem, von der Industrie mit ´zuverlässigen` Wissenschaftlern aufgebaut, ist international. Die Mechanismen der institutionellen Korruption, die S. J. Starkey aufdeckte, lassen sich auf nahezu alle westeuropäischen Länder übertragen. Wie blind muss man sein, diese Analysen zu übersehen?

Der Club der Strippenzieher zur Verhinderung von Vorsorge

Wer hinter diesem organisierten Wissenschaftsbetrugs steht und welche Verflechtungen bestehen, ist weitestgehend durchdrungen. Auf drei Veröffentlichungen dazu sei hingewiesen: 

  • Die Analysen von Investigate Europe, ein pan-europäisches Journalistenteam, das Themen von europäischer Relevanz recherchiert und die Ergebnisse europaweit veröffentlicht, hat über die Zentrale dieses organisierten Wissenschaftsbetrug, die ICNIRP und deren internationalen institutionellen Verflechtungen, umfangreich recherchiert und diese 2019 veröffentlicht.
  • Die 100 Seiten umfassende Analyse der Europaabgeordneten Klaus Buchner und Michèle Rivasi vom Juni 2020 über die Geschichte der ICNIRP, deren Rolle in der internationalen EMF-Debatte und die Hintergründe derer Mitglieder: „The International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection: Conflicts of interest, corporate capture and the push for 5G”.
  • Der ausführliche Kommentar von Lennart Hardell und Michael Carlberg in den Oncology Letters vom 19. Juni 2020, dessen deutsche Übersetzung diagnose:funk in Kürze veröffentlichen wird. Titel: „Gesundheitsrisiken durch hochfrequente Strahlung, einschließlich 5G, sollten von Experten ohne Interessenkonflikte bewertet werden“. Dieser Kommentar macht deutlich, auf welchen tönernen Füßen die Argumentation der Vorsorgeverweigerer gebaut ist.

Darüber hinaus liefert Louis Slesin auf seinem renommierten Portal MICROWAVENEWS immer wieder Analysen des ICNIRP-System, deren Mitglieder in großer Zahl deckungsgleich sind mit den  Organisationen auf Staaten-, EU- und WHO-Ebene. Angereichert sind diese Analysen mit eindrücklichen Geschichten aus dem realen Leben dieser Akteure, ihren Aussagen und konkretem Verhalten. Der Investigativ-Journalist Harald Schumann, seit über 30 Jahren im Geschäft, bezeichnet die ICNIRP als Mafia, als Kartell, aus dessen Fängen sich die unterwanderten Behörden befreien müssten.

Nur die Macht dieses selbstreferenziellen Systems von privaten, staatlichen und supranationalen Institutionen unter der steuernden Hand von Industrielobbyisten hält dieses Lügengebäude um die vermeintliche Ungefährlichkeit der Mobilfunktechnologie zusammen. 

sience.lu gefangen in der war-gaming Strategie

Was macht nun sience.lu? Sie beginnt die Agenda der war-gaming-Strategie mit deren Ende und stellt bereits in der Einleitung die rhetorische Frage: 

„Vertrauen wir darauf das es keine gesicherte Wissenschaftliche Evidenz für eine Gesundheitsgefährdung gibt, oder reicht uns dies nicht aus, weil es eben einzelne Studien gibt, die auf mögliche negative Effekte hindeuten?“

Unter der Zwischenüberschrift „Ist 5G gesundheitsschädlich?“ wird das Programm dann abgearbeitet. Der einleitende Absatz fasst Wesentliches zusammen, was zur war-gaming-Strategie gehört:

Eine umfangreiche Literaturanalyse der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation schlussfolgert zu möglichen Risiken von bisherigen Mobilfunkexpositionen «dass keine

gesundheitlich negativen Effekte von Mobilfunkstrahlung unterhalb der Grenzwerte wissenschaftlich belegt sind». Die Stiftung unterstreicht in ihrem Bericht aber auch: «ein großer Teil der in der Literatur diskutierten Wirkungen hat keine einheitliche oder eine zu dünne Datenlage, um gültige Schlussfolgerungen zu ziehen.» Häufig seien die Ergebnisse widersprüchlich oder die Arbeiten untereinander nicht vergleichbar. In verschiedenen Bereichen wäre mehr Forschung sinnvoll.

Im nächsten Absatz werden namentlich nicht benannte „Fachleute“ bemüht, die davon ausgehen: 

„…, dass 5G mit großer Wahrscheinlichkeit keine anderen Effekte auf unseren Körper haben als die bisher gebräuchlichen Mobilfunktechnologien.“ … „Hier existieren viele Studien, welche keine Gefährdung finden konnten.“

Wissenschaftlicher Nonsens und falsche Behauptungen

Plus Eins und minus Eins ergibt Null, will uns sience.lu im Geiste der war-gaming-Strategie vermitteln. Wie absurd diese These ist, sollte sience.lu bekannt sein. Prof. Adlkofer, Leiter der 10 Mio. Euro teuren europäischen Reflex-Studie, bei der das gentoxische Potenzial der Mobilfunkstrahlung untersucht und bestätigt wurde, drückt es so aus: 

„…noch so viele negative Forschungsergebnisse sind nicht in der Lage, die positiven Befunde auch nur einer einzigen korrekt durchgeführten Studie zu widerlegen.

Nebenbei bemerkt umfasst die auch von sience.lu an dieser Stelle bemühte Referenzdatenbank der RWTH Aachen keine 2.000 Publikationen, sondern etwas über 1.700 Studien zu HF-EMF. Was von sience.lu aber nicht gesagt wird ist, dass von diesen circa 1.700 Peer-Review Studien um die 900 in ihren Ergebnissen Effekte auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand gefunden haben – Effekte wie Zellstress,  neurotoxische Wirkungen, Fruchtbarkeitsschäden und genschädigende Befunde bis hin zu Krebs.

sience.lu und die nicht vorhandene Mehrheit

In der Analyse weiter unten wird bei sience.lu aus den nicht benannten „Fachleuten“ dann  noch eine Mehrheit von „Experten“

Jedoch gehen die meisten Experten davon aus, dass das vorhandene Wissen auch für 5G gilt.“ 

Quelleangaben für die Behauptungen dieser „meisten Experten“ werden nicht genannt. Wohingegen Wissenschaftler des EMF-Sientist-Appeals, der seit 2015 läuft und bis heute von 253 Wissenschaftlern aus 44 Staaten unterschrieben wurde, hierzu überprüfbare Aussagen liefern. Nach

Aussage von Prof. Lenard Hardell geht „die Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft“, die mit dieser spezifischen Forschung befasst ist, von gesundheitsschädlichen Wirkungen der hochfrequenten elektromagnetischen Felder unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte aus. 

sience.lu macht aus 100 mal eben 1.000

Weiter schreibt sience.lu, dass diese ´Experten` davon ausgehen würden, es gibt:  

„… keinen physikalischen oder medizinischen Grund zur Annahme, dass innerhalb des Frequenzfensters das 5G besetzen wird, bisher unbekannte biologische Effekte nur bei bestimmten Frequenzen, Intensitäten, Modulationseigenschaften oder Bestrahlungsdauern auftreten.“

Um diese „Annahme“ zu stützen, wird auf die Analysen von Simko & Mattson verwiesen. Peinlich ist, dass aus den knapp 100 Studien, die die beiden Forscher zum hochfrequenten 5G ausgewertet haben, bei Sience.lu „1.000 publizierte Experimente“ werden die sie „in den verschiedensten Frequenzbereichen analysiert haben.“ 

In dem Review von Simko / Mattson (2019), auf den sience.lu referenziert, werden 94 Studien des Frequenzbandbereichs von 6 bis 100 GHz analysiert – also dem Spektrum, welches erst später für die 5G-Technologie im sog. Millimeterwellenbereich genutzt werden soll. Das Ergebnis von Simko / Mattson: 

80% der in vivo-Studien zeigten Reaktionen auf die Exposition, bei 58% der in vitro-Studien wurden Effekte nachgewiesen.“ 

Es wurden sowohl thermische als auch nicht-thermische Effekte bei unterschiedlichsten Feldstärken nachgewiesen. Simko et al. schreiben: 

Die verfügbaren Studien liefern keine ausreichenden und zufriedenstellenden Informationen für eine aussagekräftige Sicherheitsbewertung oder zu der Frage nach nicht-thermischen Effekten. Es besteht Forschungsbedarf zu folgenden Themen: lokale Wärmeentwicklung auf kleinen Oberflächen, z.B. Haut oder Auge, und zu anderen Umwelteinflüssen.“ 

Schaut man etwas genauer in die Arbeit, zeigt sich, dass 25 der gesichteten Arbeiten mit Leistungsflussdichten von kleiner-gleich 10 W/m²  gearbeitet haben, also mit Bestrahlungsstärken die für die Betrachtung der nichtthermischen Wirkung unterhalb der in den meisten europäischen Ländern geltenden Grenzwerte relevant ist. Von diesen 25 Studien sind 13 Reagenzglasstudien (in vitro) und fünf Studien an Lebewesen (in vivo) durchgeführt worden, welche Effekte zeigten (Responses). Also auch hier: 72% der Studien im Niedrigdosisbereich weisen nach, dass die HF-EMF im Bereich größer 6 GHz biologische Auswirkungen hat. 

Die Zusammenstellung von Simko / Mattson verdeutlicht, dass wir in jedem Frequenzbereich mit biologischen Wirkungen zu rechnen haben und es damit unabdingbar ist, erst Forschung zu betreiben und dann weitere Frequenzbereiche für die Nutzung freizugeben. Zudem wird in der Arbeit dezidiert der Forschungsbedarf zur Wirkung auf Insekten angesprochen. 

Welche Effekte neben der breiten Palette an Wirkungen braucht es noch?

Nimmt man die oben zitierte Aussage von sience.lu genau, behaupten sie ja nur, dass keine bisher „unbekannten Effekte“ gefunden wurden. Warum dies ein Nullaussage ist bedarf der Erläuterung: 

Aus den über 900 Hochfrequenzstudien der EMF-Datenbank, die Effekte zeigen, wird deutlich, dass die möglichen Wirkungen von HF-EMF eben ein riesiges Spektrum an Effekten abdecken. Institute wie das ECOLOG aus Hannover listen auf, über welche Auswirkungen wir anhand der Studienbefunde hier reden. Gruppiert geht es um folgende Effekte: 

  1. Störungen des Zentralen Nervensystems
  2. Befindlichkeitsstörungen
  3. Zelluläre Stressreaktion
  4. Verstärkte Zellteilung / Zellproliferation
  5. Beeinflussung von Zellsteuerungsprozessen 
  6. Störungen des Immunsystems 
  7. Erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke
  8. Störungen des Hormonsystems
  9. Negative Einflüsse Fruchtbarkeit
  10. Gentoxische Effekte
  11. Fehlbildungen
  12. Krebspromovierende Effekte
  13. Kanzerogenität/Krebsauslösung

Insoweit dürfen wir sience.lu rhetorisch die berechtigte Frage stellen: Welche „unbekannten Effekte“ fehlen denn noch, damit es zu einer kritischen Analyse von sience.lu kommen könnte? 

Zu allen hier aufgezählten Effekten liegen Forschungen vor, die zeigen, dass diese Effekte bereits bei Bestrahlungsstärken gefunden werden, die unterhalb der ICNIRP-Grenzwertvorschläge liegen und teilweise auch unterhalb der relativ niedrigen luxemburgischen Grenzwerte. 

Die Sicherheit der Forschungslage geht von Hinweise:Es liegen ähnliche Ergebnisse vergleichbarer Untersuchungen vor“ über Konsistente Hinweise:Es liegen (starke) Hinweise aus unterschiedlichen Untersuchungsansätzen mit gleichem Endpunkt vor“, bis hin zu Nachweisen: „Es liegen übereinstimmende Ergebnisse identischer Untersuchungen vor“. 

diagnose-funk hat die graphisch aufbereite Bewertung vom ECOLOG-Institut aus dem Jahr 2006 auf den Erkenntnisstand im Jahr 2019 weitergeführt.

Keine Langzeitstudien?

Als letztes Argument wird bei sience.lu angeführt, es gäbe keine Langzeitstudien zu 5G. Richtig, da es sich um eine neue Technik handelt. Das ist auch sience.lu bewusst. Aber zu dieser Aussage stellen sich folgende Fragen: 

  1. Rechtfertig das Nicht-Vorliegen von spezifischen 5G-Langzeitstudien damit die ungeprüfte Einführung von 5G?
  2. Wären stattdessen Langzeitstudien gemäß dem europäischen Vorsorgeprinzip nicht Grundvoraussetzung für die Einführung neuer Technologien? Das aktuell versteigerte und in Anwendung kommende 5G ist eine neue Technologie: 
    1. in Bezug auf die verwendeten Frequenzen bei 700 MHz, um 3,6 GHz und zukünftig größer 24 GHz; 
    2. in Bezug auf die Bandbreiten von 50, 100 und zukünftig auch 200 und 400 MHz und 
    3. in Bezug auf die neuen Modulationen des verwendeten Signalaufbaus (z.B. 50 Hz SBB, TDD). 

Diese Fragen sind für biologisch Wirkungen von hochfrequenter EMF von Relevanz. 

  1. Warum ignoriert sience.lu die vorliegenden Ergebnisse zu Langzeitstudien?  

Hierzu wird insbesondere auf die umfangreichen HF-EMF Forschungen der GUS-Staaten seit den 60er Jahren verwiesen. Diese Studienerkenntnisse haben bereits 1970 in der ehem. UDSSR und 1983 auch in der DDR zu Grenzwerten für die Bevölkerung geführt, die bei 2 V/m lagen – in Luxemburg gelten im Jahr 2020 noch immer 3 bzw. 6 V/m.

Eine Analyse von 500 der verfügbaren 878 Forschungen des ehem. Ostblocks wurden von Hecht und Balzer im Auftrag der Bundesregierung 1996 durchgeführt. Die brisanten Ergebnisse wurden von der Regierung nie offiziell veröffentlicht. Die dokumentieren Ergebnisse der Forschungen und die Folgen der Langzeitstudien wurden aber zusammenfassend von Prof. Hecht selbst veröffentlicht und

auch populärwissenschaftlich aufbereitet. Warum sience.lu hierzu nichts zu sagen weiß, darüber kann nur spekuliert werden, zumal diese Ausarbeitungen leicht zu finden sind. 

sience.lu ignoriert die Meinung der unabhängigen Wissenschaft

Der International EMF Scientist Appeal. 253 Wissenschaftler aus 44 Ländern, die auf dem Gebiet der elektromagnetischen Felder (EMF) forschen – und die alle geprüfte Forschungsarbeiten über die biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen von nicht-ionisierenden elektromagnetischen Feldern (RF-EMF) veröffentlicht haben – haben Folgendes festgestellt: 

„Zahlreiche neuere wissenschaftliche Veröffentlichungen haben gezeigt, dass HF-EMF lebende Organismen in einem Ausmaß beeinflussen, das weit unter den meisten internationalen und nationalen Richtlinien liegt. Zu den Auswirkungen gehören ein erhöhtes Krebsrisiko, zellulärer Stress, Zunahme schädlicher freier Radikale, genetische Schäden, strukturelle und funktionelle Veränderungen des Fortpflanzungssystems, Lern- und Gedächtnisdefizite, neurologische Störungen und negative Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden des Menschen. Die Schäden gehen weit über die des Menschen hinaus, da es immer mehr Beweise für schädliche Auswirkungen sowohl auf das pflanzliche als auch auf das tierische Leben gibt“.

Auch ein Blick auf die umfangreichen Analysen der Wissenschaftler der BioInitiative hätte sience.lu einen Hinweis darauf geben können, dass ihre einzige Quelle, die Schweizer Lobbyorganisation FSM, mit den präsentierten Ergebnissen und Schlussfolgerungen in keiner Weise dem Stand der Forschung entspricht. Die Bioinitiative veröffentliche 2007 ihren ersten Report, 2012 ein umfangreiches Update und seitdem regelmäßige „Research Summeries“.Sie liefert zusammenfassende Aussagen wie diese: 

“Bioeffects are clearly established and occur at very low levels of exposure to electromagnetic fields and radiofrequency radiation. Bioeffects can occur in the first few minutes at levels associated with cell and cordless phone use. Bioeffects can also occur from just minutes of exposure to mobile phone masts (cell towers), WI-FI, and wireless utility ‘smart’ meters that produce whole-body exposure. Chronic base station level exposures can result in illness.”

Technik sinnvoll nutzen! Eine Vorsorgepolitik ist möglich – und sofort umsetzbar

Der Treiber des Mobilfunkausbaus ist der Bedarf von immer mehr Datenvolumen für den mobilen Zugriff auf das Internet. Mobile Telefonie und SMS stagnieren nahezu. Wie können wir diesen Bedarf decken, ohne die Strahlenbelastung zu steigern? Mehr Daten mit weniger Strahlung – wie geht das?

sience.lu verweist richtiger Weise auf Minimierungspotenziale in der technischen Weiterentwicklung z.B. bei der neuen Antennentechnologie, versäumt es aber, auf die wichtigsten Parameter bei dieser Diskussion hinzuweisen. In seinem Beitrag zur Parlamentsdebatte hat diagnose-funk hierzu kurz und knapp Vorschläge gemacht, die hier nochmal wiedergegeben werden.

  • Knapp 80% des Datenverkehrs auf den Mobilfunknetzen ist Videostreaming. 
  • 80% der mobilen Datenverkehre wird von Personen abgerufen, die sich indoor aufhalten.
  • In den europäischen Staaten kämpfen i.d.R. je drei Mobilfunkanbieter um Markanteile. Faktisch betreibt jeder dieser Diensteanbieter bis zu vier Mobilfunknetze parallel (GSM, LTE 800, LTE 2600, (UMTS)5G). Dazu kommen der Behördenorganisationsfunk (TETRA/TERAPOL), der Bahn-Mobilfunk (GSM900/LTE900), halböffentliche und öffentliche WLAN-Netze u.a..

Im Problem liegt die Lösung. Wir brauchen:

  • die weitestgehende Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung in der Kapazitätsversorgung mit mobilen Diensten
  • dazu ist der lückenlosen Ausbau der Glasfasernetze möglichst in der Hand des Staates und der Kommunen ein wichtiger Schritt
  • es braucht nur ein leistungsfähiges Mobilfunk-Netz für alle – so wie es beim Straßenbau auch nur eine Autobahn zwischen Luxemburg und Trier gibt, und nicht für jeden Autobauer eine. Ein Dutzend parallel betriebener Mobilfunknetze braucht eine vielfache Infrastruktur, mit der damit einhergehenden Landschafts- und Stadtbildverschandelung, dem exorbitanten Stromverbrauch und der Vervielfachung der Strahlenbelastung durch eine massiv erhöhte Grundlast, wie es jetzt der Fall ist.
  • Zudem brauchen wir neue, medizinisch begründete Grenz- und Vorsorgewerte die tatsächlich schützen

Mit diesen vier regulatorischen Maßnahmen ließe sich eine Vorsorgepolitik mit der bereits vorhandenen Technik sofort umsetzen. Die Anwendung der neuen Mobilfunktechnologien auf Licht- und Infrarotbasis – 7G – sind hierbei noch gar nicht erwähnt.

Die geltenden Grenzwerte in Luxemburgs von 3 V/m – die sehr hohe Kurzzeitbelastungen nicht ausschließen – ließen sich damit noch weit unterschreiten. Wir können, und sollten – nein, wir müssen uns zukünftig in unserer Mobilfunkpolitik an den Vorsorgewerten der Kommission für Technikfolgenabschätzung der EU aus dem Jahr 2000 orientieren. 0,2 V/m ist der Wert, den auch die Europäischen Umweltmediziner und unabhängige Wissenschaftler weltweit schon seit langem fordern. Weitergehend muss und kann auf dieser Grundlage jede Wohnung wieder zu einem echten Schutzraum werden – einer weißen Zone – ohne Zwangsbestrahlung von außen und nebenan.

Fazit

Den Verantwortlichen von sience.lu, die diesen Artikel veröffentlicht haben, berufen sich bei der Fragestellung zur Schädlichkeit der Mobilfunktechnologie ausschließlich auf die Argumentation der internationalen Mobilfunklobby. Dass sience.lu nicht weiß, welche unzureichende Analyse sie hier abgeliefert hat, darf in Abrede gestellt werden. Sience.lu macht sich damit zum Handlanger der Interessen der Mobilfunkindustrie und praktiziert die Prinzipien der War-gaming-Strategie zur Verhinderung vorsorglicher Entscheidungen.

Sich mit Hinweisen auf Minimierungsstrategien bei der Handynutzung zu begnügen und auf das Prinzip Hoffnung beim 5G-Ausbau und der neuen Antennentechnik zu setzen, greift zu kurz. Die Individualisierung des Problems ist keine Lösung, um der Dauer-Zwangsbestrahlung mit toxischer Mikrowellenstrahlung auf ständig steigendem Niveau etwas entgegen zu setzen. Es braucht taugliche Vorschläge für eine echte Schadens- und Risikominimierung im Sinne der Vorsorgeverpflichtung der Europäischen Verfassung. 

In ihrem Artikel entlässt Sience.lu die Politik vollständig aus der Verantwortung. Das wiegt besonders schwer und setzt die Bevölkerung weiterhin schutzlos den Vermarktungsinteressen einer multimilliardenschweren Industrie aus. Der Artikel degeneriert so zur verkaufsfördernden Botschaft und zur Legitimation für den 5G-Ausbau – ganz im Sinne der Regierung.

Das könnte man besser machen.